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Eine kleine Business-Weihnachtsgeschichte

Bild: pixabay
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Es war einmal eine junge Abteilungsassistentin. Bei ihrem Einstellungsgespräch sagte ihr künftiger Chef: „Unsere Arbeit für das Haus ist sehr wichtig und anspruchsvoll. Wir sind die Steuerungsmannschaft des Unternehmens und ich bin der Steuerkapitän. Unsere Navigationsinstrumente sind die Zahlen und Modelle. Ich kümmere mich um die Sachthemen und Sie sollen, neben ihrer Assistenzaufgabe, die Rolle der „Mutter“ für das Team übernehmen und für die gute Stimmung sorgen“. Die junge Assistentin hat dazu von Herzen „ja“ gesagt und bekam den Job.

 

In den ersten Arbeitswochen hat sie sich engagiert, in die neuen Tools und Systeme eingearbeitet, sich mit anderen Teamassistentinnen vernetzt und viel über ihre neuen Aufgaben gelernt.  In der Abteilung selbst spürte sie schnell, dass unter der Oberfläche der „neutralen“ Sachthemen ein negatives Arbeitsklima voller Misstrauen und Missgunst brodelt. Der Umgang des sachorientieren und intellektuell sehr fitten Abteilungsleiters mit seinen Mitarbeitern war distanziert, kalt und herzlos. Er selber bemerkte es nicht, die MitarbeiterInnen jedoch wurden zunehmend unzufriedener, motzten untereinander und keiner traute mehr dem anderen.

 

Aus der ihr übertragenen „Mutter“-Rolle heraus fing sie an, sich um die emotionalen Belange jedes einzelnen Team-Kollegen zu kümmern. Sie sorgte dafür, dass der Open-Space-Raum der Abteilung ansprechender und angenehmer aussah, kaufte Sweets und Knabbereien, verschenkte immer wieder Kleinigkeiten an Kollegen, die sie damit aufmuntern oder trösten wollte. Ihr Chef schien auch eine „Mutter“ zu brauchen. Seine Stimmungen schwankten, Anweisungen waren manchmal wirr; wenn er unterwegs war, rief er alle Viertelstunde an, um irgendwas zu fragen. Die Erwartungshaltung war hoch, doch es kam von ihm nichts zurück -  nicht mal ein aufrichtiges „Danke“.

 

Es verging ein Jahr. Die junge Assistentin fühlte sich immer häufiger müde und kraftlos. Sie konnte nicht mehr gut schlafen, weil sie alle Angelegenheiten aus dem Büro mit nach Hause nahm. Eines nachts wachte sie plötzlich mit dem Gefühl auf, dass jemand im Raum sei. „Wer ist da?“ rief sie verängstigt. „Ich bin es, Dein Schutzengel, ich muss mit Dir reden!“, antworte eine Stimme ganz in ihrer Nähe. „Ich kann Dich nicht sehen! Woher weiß ich, dass Du ein Engel bist?“ antwortete sie skeptisch. „Du musst mir nicht glauben. Habe Vertrauen, höre einfach nur zu und entscheide dann selbst“, sagte der Engel.

 

„Du gibst wahrhaftig sehr viel von Dir. Du teilst und schenkst allen Deine Aufmerksamkeit, Deine Wärme, Deine Fürsorge, Dein Licht. Das ist sehr viel, das ist mehr, als die meisten Menschen überhaupt geben können. Das ist vielmehr als jemand von dem gibt, was er besitzt. Viele der Menschen, die dich umgeben, sind allerdings nicht so freigiebig wie Du. Sie horten ihre Schätze, ihre Wärme und Wertschätzung im Glauben, es sei so richtig. So haben sie es gelernt. Sie definieren sich über ihre fachliche Kompetenz, ihren Status oder ihre Rolle und sind für die Menschlichkeit noch nicht bereit. Mit Deinem Beispiel zeigst Du, wie Menschen miteinander umgehen können.“

 

Die junge Assistentin hatte ihrem Schutzengel bis dahin wie gebannt zugehört, doch nun rief sie laut: „Aber ich kann nicht mehr! Ich fühle mich erschöpft, leer und müde!“ Der Engel antwortete: “Was Dir die Kraft raubt ist, dass Du mit Deiner fürsorglichen, weiblichen Art viele Dinge übernimmst, die andere selbst erledigen können. Überprüfe Deine Absicht: Warum tust Du das? Wem willst Du gefallen? Was denkst über Dich selbst und wie wertschätzt Du deine weiblichen Qualitäten? Glaubst Du, dass das fachliche Know how mehr Wert ist als das Menschliche? Wenn dem so ist, dann wirst du immer das Gefühl haben, dass Du mehr und mehr geben musst, um Dich als ein gleichwertiges Mitglied des Teams zu fühlen. So wie Du dich selbst siehst, so sehen Dich auch die anderen. Ich sage Dir als Dein Schutzengel: In der ganzen Abteilung bist Du das Licht, das für alle leuchtet -  stelle es nicht unter den Scheffel!!!“

 

In dem Augenblick, da der Engel seine Rede beendet hat, schlief die junge Assistentin tief und ruhig ein. Morgens erwachte sie und erinnerte sich an das seltsame Gespräch. „Wahrscheinlich habe ich das nur geträumt“, dachte sie und ging zu Arbeit. Der Gedanke, sie sei das Licht, das leuchtet, ging ihr nicht aus dem Kopf und erfüllte sie mit einem inneren Lächeln. In den nächsten Tagen merkte sie, dass Ihre KollegInnen und ihr Chef anders auf sie reagierten. Je stärker in ihr die Idee „Ich bin das Licht“ wurzelte, umso häufiger nahm sie wahr, dass sie mit ihrem Leuchten die Lichter in den Herzen der anderen „anzündete“. Sie übernahm immer weniger von dem, was die anderen selbst erledigen konnten und fühlte sich zunehmend wohler. Sie wünschte sich nur sehr, noch einmal mit ihrem Schutzengel sprechen zu können. Aber das ist eine andere Geschichte...

 

© 2018 by Dr. Margarita V. Tchouvakhina